KIMADU

 

Die Integration von KI-Systemen in schulische Lern- und Arbeitsumgebungen bietet Lehrkräften einige Chancen und stellt sie gleichzeitig vor eine Reihe didaktischer Entscheidungen. Das Projekt KIMADU der Universität Siegen unterstützt 25 Schulen in NRW daher dabei, generative KI didaktisch in den Fächern Deutsch und Mathematik zu erproben. Im Mittelpunkt steht hier unter anderem die Entwicklung sogenannter didaktischer Agenten: Chatbots, die als Lehr- und Lernpartner konzipiert sind und fachbezogene Lernprozesse didaktisch begleiten. Sie werden über den Projektzeitraum gemeinsam von Lehrkräften und Forschenden entwickelt und erprobt.

Im vorliegenden Beitrag berichten wir über zentrale Bausteine des Projekts und geben eine Übersicht von bisher entwickelten Lernmaterialien, die unter www.lernen-digital.nrw veröffentlicht werden. Ein Bericht zum gemeinsamen Schulbesuch mit Schulministerin Dorothee Feller im September 2025 an der Friedrich-Albert-Lange-Schule (FALS) in Solingen illustriert zudem den Stellenwert des Modellprojekts. KIMADU zeigt, wie die evidenzbasierte Integration von KI zur professionellen Weiterentwicklung des Deutsch- und Mathematikunterrichts beitragen kann und gibt Impulse für eine zukunftsorientierte Bildung.

 

 

Das Bild zeigt die KIMADU-Schulen auf einer Karte von NRW.

Projektvorstellung

Das Projekt „KIMADU“ der Universität Siegen begleitet 25 weiterführende allgemeinbildende Schulen in Nordrhein-Westfalen dabei, generative Künstliche Intelligenz sinnvoll in den Unterricht der Fächer Mathematik und Deutsch zu integrieren. Ziel ist es, Unterrichtskonzepte zu entwickeln, die sowohl fachliche und fächerübergreifende Kompetenzen als auch zukunftsorientierte Fähigkeiten wie Kreativität, Kommunikation, Kollaboration und kritisches Denken (4K) fördern. Gleichzeitig werden Lehrkräfte für den pädagogisch reflektierten Einsatz von KI-Anwendungen qualifiziert.

Zu diesem Zweck bietet das Projekt verschiedene Unterstützungsformate an, darunter halbjährlich stattfindende, eintägige Fachtagungen in Kooperation mit der QUA-LiS NRW, Erprobungsphasen mit digitalen Follow-up-Treffen sowie eine wöchentliche Online-Sprechstunde. Jede Projektschule hat Lehrkräfte der Fächer Mathematik und Deutsch benannt, die als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Kollegium wirken. Zudem führt das Projektteam Schulbesuche durch, um die Schulen bei der Implementierung von Künstlicher Intelligenz im Unterricht zu beraten.

Parallel dazu werden universitäre Forschungsarbeiten durchgeführt, die insbesondere Lehrkräftekompetenzen und Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler beim koaktiven Arbeiten mit KI untersuchen. Die Ergebnisse sowie ausgewählte Materialien werden im weiteren Projektverlauf sukzessive als Open Educational Resources (OER) veröffentlicht.

 

Didaktische Agenten

Im Projekt KIMADU stehen sogenannte Didaktische Agenten im Mittelpunkt: KI-basierte Chatbots, die für den Einsatz im Unterricht entwickelt werden. Sie unterscheiden sich deutlich von generischen Sprachmodellen: Statt bloß finale Antworten zu liefern, sind sie als dialogische Lernräume konzipiert. 

Im Projekt werden die didaktischen Agenten in zwei Typen unterschieden: Die sogenannten „Lehrpartner“ und „Lernpartner“. „Lehrpartner“ unterstützen die Lehrkräfte. Sie inspirieren bei der Unterrichtsplanung, schlagen Aufgabenformate vor oder helfen, Lernziele an den Lehrplan anzupassen. Damit werden sie zu kreativen Co-Planern, die Impulse für die Gestaltung von Lernumgebungen geben. „Lernpartner“ dagegen sind speziell für Schülerinnen und Schüler konzipiert. Sie helfen beim Verstehen von Aufgabenstellungen, geben Formulierungs- und Wortschatztipps, unterstützen beim (mathematischen) Argumentieren oder regen zum Entwickeln und Verbessern eigener Lösungswege an. Ihr didaktisches Potenzial liegt darin, individuelles Feedback prozessbegleitend zu geben und dabei persönliche Umgebungen zum Ausprobieren verschiedener Lösungswege zu schaffen. Didaktische Agenten können je nach Instruktion in verschiedene Rollen schlüpfen. So können sie – abhängig vom Lernziel – durchaus als Ghostwriter Rechenlösungen oder Mustertexte produzieren und deren Herleitung transparent erklären. In den meisten Fällen aber agieren sie als Tutoren (z. B. sokratischer Tutor) oder Lernpartner (z. B. Critical Friend), die adressatengerecht mit den Lernenden kommunizieren und ohne Lösungswege vorwegzunehmen zum Ausprobieren und Lernen animieren: Sie können z. B. Kurven diskutieren, literarische Figuren simulieren oder argumentative Stellvertreter bestimmter Meinungen oder theoretischer Modelle sein.

Für die Entwicklung und Erprobung dieser Agenten werden die Anwendungen „Sidekick education“ und „Fobizz“ genutzt, zwei Plattformen, die es Lehrkräften ermöglichen, eigene KI-Dialogpartner für den Unterricht zu gestalten und zu testen. Für den Deutschunterricht kommt zudem die KI-gestützte Anwendung „FelloFish“ zum Einsatz, welche auf die individualisierte Rückmeldung zu Texten spezialisiert ist.

Nicht nur die Entwicklung, sondern auch den Einsatz didaktischer Agenten im Unterricht erforschen die Teams der Universität Siegen gemeinsam mit den Lehrkräften der Kooperationsschulen empirisch durch Befragungen, Interviews, Fall- und Konversationsanalysen. Erste Erprobungen zeigen, dass besonders beim kooperativen Lernen positive Effekte dann beobachtbar sind, wenn Lernende in Partner- oder Gruppenarbeit mit didaktischen Agenten arbeiten und die Ergebnisse gemeinsam reflektieren. 

 

Didaktische Agenten auf lernen-digital.nrw

Auf lernen-digital.nrw werden ab Ende 2025 neben exemplarischen Unterrichtsentwürfen und Literatur ausgewählte didaktische Agenten aus den beiden Fächern veröffentlicht. Die frei zugängliche Dokumentation soll dabei nicht nur sichtbar machen, welche digitalen Gestaltungsspielräume und neue Formen des Unterrichtens didaktische Agenten in der fächerspezifischen Praxis eröffnen – sie lädt interessierte Lehrkräfte zugleich zum Entdecken, Ausprobieren und Anpassen didaktischer Agenten ein, da alle Systemprompts/Megaprompts dort als OER zu finden sind. Sie können heruntergeladen, angepasst und frei in eine eigene Anwendungsumgebung übertragen und so weiterverwendet werden. 

Einen kompakten Überblick aller bisher veröffentlichten didaktischen Agenten findet sich in den folgenden Tabellen für das Fach Mathematik und das Fach Deutsch. 

 

Didaktische Agenten auf lernen-digital.nrw für das Fach Mathematik

Didaktischer AgentRolleKompetenzbereiche (Prozesse)Inhaltsfeld und Konkretisierung
das verflixte xLernpartner Operieren, Problemlösen, KommunizierenArithmetik/Algebra: Gleichungen umformen und lösen 
Der KreismeisterLernpartner Operieren, Argumentieren, Kommunizieren

Geometrie: Berechnung von Längen und

Flächeninhalten an Kreisen und Kreissektoren 

Fürst StochastikusLernpartner Argumentieren, Kommunizieren, Problemlösen, Modellieren

Stochastik: Wahrscheinlichkeiten einstufiger

Zufallsexperimente begründen und im

Sachzusammenhang interpretieren 

HausaufgabenhelferinLernpartnerKommunizieren, Argumentieren, DarstellenStochastik: Bestimmung von Wahrscheinlichkeiten mit Vierfeldertafeln
KI-Agenten zu linearen Gleichungssystemen 

Lernpartner

 

Operieren, Problemlösen, KommunizierenArithmetik/Algebra: Lösen von linearen Gleichungssystemen
Memematic MatherLernpartnerAbhängig von der zu bearbeitenden AufgabeAbhängig von der zu bearbeitenden Aufgabe 
Modellierungs-UnterstützerLehrpartner Modellieren Abhängig von der zu bearbeitenden Aufgabe
Professorin AbschlussprüfungLernpartner 

Operieren, Argumentieren, Kommunizieren,

Problemlösen und Modellieren (abhängig von der

Aufgabe)

Geometrie: Berechnungen an geometrischen Formen und Körpern 
Prompting Unterstützer für Schüler:innenLernpartner Kommunizieren, ProblemlösenAbhängig vom spezifischen Inhalt 
Prompting Unterstützer für LehrkräfteLehrpartnerAbhängig von der zu bearbeitenden AufgabeAbhängig von der zu bearbeitenden Aufgabe 
Schokoproblem HelferLernpartnerProblemlösen, Argumentieren, KommunizierenArithmetik/Algebra: Rechnen mit Brüchen  

 

Tabelle 1: Überblick über die didaktischen Agenten für das Fach Mathematik 

Didaktische Agenten auf lernen-digital.nrw für das Fach Deutsch

Didaktischer AgentRolleKompetenzbereiche (Prozesse)Inhaltsfeld und Konkretisierung
BewertungscoachLernpartner Produktion/Texte verfassenBewerbungsschreiben üben
GrammatikCoach 7Lernpartner Sprache und SprachgebrauchGrammatik verstehen, anwenden, reflektieren
KIMLehrpartnerProduktion/Texte verfassenSchreibaufgaben entwickeln
LetraLernpartnerRezeption/LesenLesestrategien anwenden
Lina

Lernpartner

 

Rezeption/LesenLeseverstehen fördern/DaZ vermitteln
LOULernpartnerProduktion/Texte verfassenAufgaben mit Operatoren schriftlich lösen
MetapheroLernpartnerRezeption/ProduktionGedichte verstehen und selbst verfassen
ÖkonradLernpartner Produktion/SchreibenWortschatz trainieren
SamLernpartner Rezeption/ProduktionMeinungsbildung fördern
SpeechTeachLernpartnerProduktion/SprechenMündliches Präsentieren üben
TRULernpartnerRezeption/ZuhörenManipulative Gesprächsstrategien identifizieren

Tabelle 2: Überblick über die didaktischen Agenten für das Fach Deutsch

 

Alle didaktischen Agenten wurden in enger Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften und den Teams der Universität Siegen entwickelt und erprobt. Jeder didaktische Agent ist mindestens einem curricularen Kompetenzbereich und/oder einem konkreten Lernziel zugeordnet. Und wenngleich auch die veröffentlichten Agenten einerseits als work in progress und Werkstattbericht zu verstehen sind, so demonstrieren sie andererseits als Praxisbeispiele, wie der lernförderliche Einsatz didaktischer Agenten im Unterricht aussehen kann.

Im Fach Mathematik kann ein didaktischer Agent sowohl prozessbezogene Kompetenzen wie Problemlösen oder Modellieren als auch inhaltsbezogene Kompetenzen adressieren. Exemplarisch kann hierfür der didaktische Agent „Fürst Stochastikus“ genannt werden, der die Lernenden in eine immersive Lernumgebung auf einen mittelalterlichen Jahrmarkt mitnimmt und sie dort auffordert, Entscheidungen über die Teilnahme an Glücksspielen abzuwägen, indem konkrete Berechnungen hinsichtlich der Gewinnchancen getätigt werden.

Im Fach Deutsch greifen didaktische Agenten unter anderem Kompetenzerwartungen aus den Bereichen Lesen und Schreiben genauso wie Sprechen und Zuhören oder Reflexion über Sprachgebrauch auf, sowohl für Literatur als auch für Sachtexte. So unterstützt Lernpartner „TRU“ die Schülerinnen und Schüler beim Erkennen und Einordnen rhetorischer Gesprächsstrategien im Alltag, während etwa „Letra“ textsortenspezifische Lesestrategien vermittelt und einübt oder „Metaphero“ die Analyse und Rezeption von Gedichten Schritt für Schritt begleitet. 

 

 

Gemeinsamer Schulbesuch mit Schulministerin Dorothee Feller 

Von dem praktischen Einsatz im Unterricht machte sich im September auch Schulministerin Dorothee Feller ein Bild. Gemeinsam mit den KIMADU-Projektteams besuchte sie die Friedrich-Albert-Lange-Gesamtschule in Solingen, eine der Kooperationsschulen, die den Einsatz von didaktischen KI-Agenten im Mathematik- und Deutschunterricht erproben.

Ministerin Feller ließ sich – begleitet von Schulleiter Dr. Olaf Noll sowie Vertreterinnen und Vertretern der Bezirksregierung und der Stadt – von Schülerinnen und Schülern demonstrieren, wie sie ihren persönlichen Lernpartner gestalten und wie sich dieser im Unterricht bewährt. So war sie unter anderem im Mathematikunterricht einer neunten Klasse zu Gast, in der die Lernenden KI-Agenten zu verschiedenen Lösungsverfahren linearer Gleichungen erstellten. Die Ministerin zeigte sich beeindruckt von der Kombination aus technischem Potenzial und didaktischer Sensibilität: „Es ist schön zu sehen, dass an nordrhein-westfälischen Schulen mit Begeisterung, Augenmaß und Sensibilität Künstliche Intelligenz genutzt wird.“

Im Gespräch mit Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern wurde deutlich, dass die Arbeit mit KI-Agenten hier nicht nur technisches Interesse bedient, sondern pädagogisch sinnvoll ausgestaltet ist: So formulierten die Lernenden, dass sich der Agent „ans Lernniveau anpassen“ und verständnisvoll sein solle. Er diene damit nicht nur als Wissensdatenbank, sondern als Partner, der Rücksicht auf persönliche Stärken und Schwächen nimmt. 

Damit wird sichtbar, worum es bei KIMADU geht: Nicht nur um den Einsatz neuer KI-Technologie, sondern um neue Lernpartner mit Wissen und Empathie.

 

Ausblick

Im September 2025 begannen die Schulbesuche an allen teilnehmenden Schulen und werden 2026 fortgeführt. Das Projektteam besucht die Lehrkräfte direkt im Unterricht und führt gemeinsam mit allen Beteiligten Schulentwicklungsgespräche. Parallel dazu erproben die Lehrkräfte weiterhin die Eignung der entwickelten didaktischen Agenten und werden hierbei von den Teams der Universität Siegen wissenschaftlich begleitet. Die aus diesen Prozessen gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse fließen kontinuierlich in das Projekt ein. Die nächsten Fachtage finden im Frühjahr 2026 statt. Im Fach Mathematik steht dann das Thema „Argumentieren im Mathematikunterricht“ im Fokus, während im Fach Deutsch das Thema „Feedback“ behandelt wird. 

 

Literatur: 

Corvacho del Toro, I., Fuhlrott, M. & Steinhoff, T. (2025). Didaktische Agenten. KI als Lehr-/Lernpartnerin im Deutschunterricht im Forschungsprojekt KIMADU. In H.-G. Müller & M. Fürstenberg (Hrsg.), DeutschGPT – Deutschunterricht im Dialog mit Künstlicher Intelligenz (S. 65–86). Berlin: Frank & Timme. 

Dilling, F., Eckhardt, M., Heer, B., Hermann, M., Marx, B. & Witzke, I. (im Druck). Handreichung: Erstellung didaktischer KI-Agenten für den Mathematikunterricht.

Das Bild zeigt Schülerinnen und Schüler mit Dorothee Feller.
Das Bild zeigt Schülerinnen mit Dorothee Feller.
Das Bild zeigt die Teilnehmenden des Schulbesuchs von Dorothee Feller.
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